Nachhaltigkeit lässt sich «einrichten»
(Interview von HSG Alumni mit Raul Schweizer, Juli 2021)
Jeweils neue, passende Möbel für die neue Wohnung oder das neue Haus. Hast du dich auch schon einmal gefragt, ob das nicht auch nachhaltiger ginge? Diese Frage beschäftigte auch HSG-Alumnus Raul Schweizer #classof2009. Seine Lösung: CIVAG. Das 2020 gegründete Startup will Einrichten nachhaltiger machen, und Möbel zur Miete und Weiterverwendung anbieten – ganz im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.
Eine der grössten Herausforderungen dabei, so Raul, ist der Einbezug zahlreicher verschiedener Fachbereiche und Aspekte, um das Business auch wirklich nachhaltig zu gestalten. Bisher läuft alles nach Plan, und CIVAG will noch in diesem Jahr den Einrichtungsmarkt aufmischen.
Interview
1. Die Geschäftsidee:
CIVAG ist ein digitales Startup, welches Möbel zur Miete anbietet. Als Teil der Kreislaufwirtschaft setzt CIVAG wenn immer möglich auf die Restauration und Weiterverwendung der vermieteten Möbel. CIVAGs Mietmodell fördert damit die langfristige Nutzung von Ressourcen.
Zudem unterstützt CIVAG gezielt die Wahl nachhaltig und qualitativ hochwertig produzierter Möbel, indem Investitionshürden abgebaut, relevante Informationen bereitgestellt sowie gezielte Partnerschaften eingegangen werden. Damit leistet CIVAG einen Beitrag dazu, die Klimaziele zu erreichen und ermöglicht es Nutzer:innen, nachhaltig zu leben, ohne ihre Gestaltungsmöglichkeiten einzuschränken.
Schliesslich wollen wir der Nachfrage nach kreislauffähigen Möbeln Gestalt verleihen und darüber die vorherrschende Wertschöpfungskette zu einer nachhaltigen Neuausrichtung bewegen.
2. Das Beste an der Selbstständigkeit:
Für mich ist CIVAG (Circular Value Generation) aus dem Wunsch heraus gewachsen, einen positiven Impact auf die Umwelt zu haben und ein Unternehmen aufzubauen, welches zu 100% mit meinen Wertvorstellungen übereinstimmt.
Die Motivation, etwas zu bewirken, schweisst darüber hinaus unser Team zusammen. Wir sind als Team immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert, aber zu wissen, dass wir uns voll und ganz für unsere Herzensangelegenheit einsetzen können, gibt uns immer wieder die notwendige Energie.
3. Die wertvollste Erfahrung:
Das Unternehmen von Grund auf aufzubauen hiess auch, sich mit allen Aspekten des Aufbaus auseinanderzusetzen. Das half, ein Unternehmen ganzheitlich im Eiltempo kennen und verstehen zu lernen.
Die Zusammenarbeit im Team macht dabei nicht vor den einzelnen Kernbereichen halt: So sind wir beispielsweise alle involviert im Lifecycle Analyseprozess von Möbeln oder in Kommunikationsentscheidungen. Nicht zuletzt, um den Wissensaufbau, welcher für ein kreislauffähiges Geschäftsmodell notwendig ist, zu bewerkstelligen. Denn wer beispielsweise Vermarktung ohne Supply Chain Management denkt, der scheitert in der Kreislaufwirtschaft.
Eine weitere wertvolle Erfahrung war es, zu sehen, wie die erste Idee, Möbel langfristig im Umlauf zu halten, um Ressourcen zu schonen, zu einem konkreten Geschäftsmodell gewachsen ist. Es war dabei richtig toll zu erleben, wie viele talentierte Menschen meine erste Vision teilen und wie wir gemeinsam anpacken, um Positives zu bewirken. Die unterschiedlichen Perspektiven im Team haben dabei massgeblich dazu beigetragen, dass sich die Anfangsidee produktiv weiterentwickeln konnte, und noch immer ist jeder Tag voll mit spannenden Interaktionen.
4. Die grösste Herausforderung:
Bootstrapping! Wie bei vielen Startups ist eine grosse anfängliche Herausforderung der Aufbau des Unternehmens mit knappen persönlichen Ressourcen.
Insbesondere im Bereich der Kreislaufwirtschaft ist es nicht einfach, mit knappen Mitteln und einem kleinen Team Fuss zu fassen. Es braucht gut recherchiertes Wissen in wesentlich mehr Fachgebieten als in vergleichbaren linearen Geschäftsmodellen, um z.B. Produkte und Prozesse richtig zu designen. Das bedeutet für uns, dass wir viel Zeit und Energie einsetzen, um uns vertieft zu informieren. Dabei helfen uns Netzwerke wie HSG Alumni, Circular Economy Switzerland, Innosuisse und Impact Hub auf unersetzbare Art und Weise.
Zusätzlich braucht es in kreislauffähigen Geschäftsmodellen eine gute Kommunikationsstrategie, um den Teil der Gesellschaft, der sich bereits für umweltpositive Lebensmöglichkeiten interessiert, gezielt zu erreichen und langfristig nachhaltige Gedankenmuster zu fördern und zu verbreiten.
5. Ein Tipp für künftige Gründer:
Für mich hat es sich als zentral herausgestellt, sich die Werte und Mission von Anfang an klar zu machen und konkret zu kommunizieren. Dieses Leitbild hat uns intern im alltäglichen, operativen Geschäft Agilität ermöglicht, ohne dabei vom Kurs abzukommen.
Gerade bei einem impactorientierten Geschäftsmodell ist ein solcher Leitstern essenziell, um sich nicht zu verzetteln, wenn man die Welt verbessern möchte.
So hängen Fragen, wie mit welchen Geschäftspartnern wir zusammenarbeiten möchten, welche Mitarbeiter:innen ins Team passen, welche Investor:innen interessant sein können und natürlich nicht zuletzt, an welche Kundengruppe wir uns wie wenden, letztlich alle von unserem formulierten Zielbild ab.
Nicht zuletzt muss man sich auch als Eigentümer und CEO an diesen Werten messen lassen. Die Transparenz und Stringenz empfinde ich als wohltuende Qualitätssicherung: Sollten nämlich Vorschläge oder Handlungen von CIVAG, in ihren manchmal schwer voraussehbaren Auswirkungen, entgegen den transparent kommunizierten Werten ausfallen, wird man schnell darauf hingewiesen, und zwar aus den mannigfaltigen Perspektiven und Erfahrungen aller Stakeholder.
6. Dafür bin ich der HSG dankbar:
Die breite Ausrichtung des HSG Curriculums, insbesondere während des Kontextstudiums, bildete für mich die Basis, um sich bei komplexen Themen, wie der Transformation einer Industrie oder dem kulturellen Wandel des Konsums, zurecht zu finden.
Zudem habe ich an der HSG von unzähligen Personen, Vereinen und Initiativen profitieren können, die mich fachlich und persönlich weitergebracht haben. Ohne die Inspirationen von Vereinen wie Oikos gäbe es CIVAG wahrscheinlich nicht. Derzeit bin ich der HSG zudem ganz konkret dankbar für das Netzwerk an echten Expert:innen, die mir während der Gründung immer wieder weitergeholfen haben.
7. Dazu könnte ich Unterstützung von anderen Alumnae oder Alumni gut gebrauchen:
Wir sind derzeit am Aufbau eines langfristigen Netzwerkes an Vertriebs-, Operations- und Finanzierungspartnerschaften. Zudem sind wir dabei ein Advisory Board auf die Beine zu stellen, in welchem relevantes Know-How für die nachhaltige Vermietung von Möbeln zusammenkommt. Dazu gehören zahlreiche Bereiche, wie extensives Wissen im Mietgeschäft, Versicherungswesen, juristische Expertise und natürlich Know-How im Bereich kreislauffähiger Geschäftsmodelle inklusive deren physischen Prozessen. Hierfür können wir die Unterstützung von Alumnae und Alumni sehr gut gebrauchen – falls einzelne Inputs oder Interesse für eine Zusammenarbeit vorhanden sind, freue ich mich über eine Kontaktaufnahme.
8. Ziele für das aktuelle Jahr (2021):
1. Go-Live der global skalierbaren Weiterentwicklung des Geschäftsmodells.
2. Finden und Onboarding von Co-Foundern und Teammembern.
3. Etablierung weiterer Partnerschaften für das Circular Furniture Ecosystem.